Ralf Bos – Der Delikatessenhändler

Bestimmt nicht langweilig.

Ralf Bos – der Grandseigneur der Food-Branche im Interview

Ralf Bos ist mit seinem Familienunternehmen BosFood mit gut 200 Beschäftigten der Delikatessenhändler Nummer 1 in Deutschland. Seit sein Buch „Trüffel und andere Edelpilze“ 2007 auf der Frankfurter Buchmesse die Goldmedaille der Gastronomischen Akademie erhielt, gilt er als der „Trüffelpapst“ Deutschlands. In der Hall of Fame von „Der Feinschmecker“ gehört er zu den 30 wichtigsten Vertretern der Kulinarik der letzten 30 Jahre. Mehrfach wurde er von der Gastronomie- und Food-Branche als Grandseigneur des Jahres ausgezeichnet. Seine Firma erhielt ebenfalls mehrfach den Titel „Bestes Unternehmen der Branche.“

Den Weg in die Gastronomie hat er aber eher zufällig gefunden. „Weil es damals keine andere Lehrstelle gab“, verrät er. Der gelernte Koch und Restaurantfachmann war Sommelier, Tourmanager in der Schlagerwelt von Ralf Siegel sowie erfolgreicher Gründer und Inhaber eines Unternehmens für Telefontechnik. Heute, 60 Jahre alt, ist er Kaufmann, Autor, Zeitschriftenherausgeber, Podcast-Macher und YouTuber. Aber er macht nicht nur, er gibt auch gerne. Und das schon seit vielen Jahren. Aus einer Wette heraus entstand das Hilfsprojekt „Spitzenköche für Afrika“. Bis heute unterstützt er damit aktiv den Bau von Schulen in Äthiopien. Wir sprachen mit Ralf Bos Mitte März 2021.

Table Z®: Hallo Ralf! Schön, dass das klappt. Sind ja schwierige Zeiten im Moment. Gerade jetzt vor Ostern hat die Regierung erneut den Lockdown verlängert, das erhoffte Geschäft für Restaurants, Hotels und die ganze Branche bleibt aus. Wie schätzt Du persönlich die Situation bzw. die mittelfristigen Auswirkungen von Corona ein?
Ralf Bos: Wir mussten und müssen während der Pandemie wesentlich mehr leisten als davor, setzten aber nur einen Bruchteil der normalen Erträge um. Als Mittelständler sind wir natürlich an allen Fördertöpfen vorbei gesegelt. Nach der Pandemie werden wir uns relativ schnell erholen, weil wir wissen, dass unser Kunden uns lieben und vermissen. Wir alle scharren mit den Füßen.

Table Z®: Kann die Gastronomie bei aller Belastung auch etwas aus den letzten Monaten lernen?
Ralf Bos: Vermutlich, dass man sich am besten ein finanzielles Polster zulegen muss. Das ist aber leichter gesagt als getan.

Table Z®: Und was passiert in den Küchen? Du bist ja als Händler ganz dicht dran. Erkennst Du da Trends?
Ralf Bos: Ja, ganz klar: Casual Dining, fleischlose Speisen und nachhaltige Küche

Table Z®: Mal ein paar Fragen zu Dir als Person. Wie bist Du in die Gastro gekommen? Wolltest Du das schon immer?
Ralf Bos: Die einfachste Antwort ist, dass ich damals keine andere Lehrstelle gefunden habe. Ich hab dann bei Wennemar Scherrer, Restaurant Vasco da Gama, in Düsseldorf erst Koch und dann Restaurantfachmann gelernt. Dann kamen ein paar verschiedenen Stationen: Barkeeper im Holiday Inn an der Königsallee, Bankettleiter im Rheinstern Penta Hotel in Düsseldorf, Stellvertretender Restaurantdirektor im Cresthotel in Hagen, Betriebsleiter im Restaurant La bonne Auberge in Wenningstedt/Sylt (heute Fidschen am Dorfteich) und schließlich Sommelier im Hotel Schweizer Hof Davos, Schweiz. Danach hab ich der Gastro erstmal den Rücken gekehrt. Ich war dann Tourleader der Gruppe Wind bei Jupiter Records und Ralf Siegel. Dann nochmal ein Schwenk und ich habe meine erste Firma gegründet: Bos Telefontechnik – ich dachte, das ist meine Zukunft.

Table Z®: Damit warst Du ja sehr erfolgreich, bist aber dann doch zurück in die Food-Branche. Wieso?
Ralf Bos: Mir wurde mehr und mehr klar, wie sehr ich es liebe, mit Lebensmitteln zu arbeiten und das Beste aus ihnen heraus zu holen. Nach zehn Jahren Gastronomie und fünf Jahren im kaufmännischen Bereich habe ich 1989 meine Leidenschaft (Lebensmittel und Weine) und meine gelernten Skills (Import und Handel) kombiniert. Das war die Geburtsstunde von BosFood. Die andere Firma habe ich verkauft und seit 1990 bin ich nun schon Lebensmittelhändler.

Table Z®: Besser gesagt: Delikatessenhändler, oder?
Ralf Bos: Gutes Essen entsteht immer aus guten Produkten in Verbindung mit talentierter und liebevoller Zubereitung. Mein Anspruch ist es, zumindest den ersten Teil davon zu leisten. Und das geht nur mit hoher Qualität und einer entsprechenden Vielfalt. Aktuell finden unsere Kunden – übrigens sowohl Profianwender als auch Privatpersonen – etwa 16.000 Lebensmittel bei uns. Aber die Menge alleine und die Qualität reichen heute nicht mehr aus. Ganz wichtig sind Service, Zuverlässigkeit und Freundlichkeit. Sonst kann das Geschäft auf Dauer nicht funktionieren.

Table Z®: Nochmal zur Vielzahl der Lebensmittel. Kurz gefragt: Auf welche davon kann die Person Ralf Bos verzichten?
Ralf Bos: Auf Fleisch, Fisch, Krustentiere. Das muss nicht sein. Im Gegensatz zu frischem Gemüse, Brot und Pasta.

Table Z®: Worin siehst Du aktuell mittel- bis langfristig die größten Herausforderungen für die Gastronomie?
Ralf Bos: Ich denke, dass in Deutschland die Gastronomie von Regierungsseite keinerlei Wertschätzung erfährt und nie erfahren hat. Es gibt in der Tat niemanden, der für diese Branche in die Bresche springt und ich befürchte, die komplette Branche wird sich nach Corona an den eigenen Haaren aus dem Dreck ziehen müssen.

Table Z®: Auch wenn’s schwer fällt: Mal abgesehen von Corona: Wie sieht Gastronomie in der Zukunft für Dich aus?
Ralf Bos: Die Zeiten, in denen der Ober vornehmer ist als die Gäste und die Tischdecken bis zum Fußboden reichen sind endgültig vorbei, was mir sehr gut gefällt. Das Essen an sich wird aufgrund von digitalen Reservierungs-, Bestell- und Bezahlmöglichkeiten wesentlich zügiger vonstatten gehen, was mir weniger gut gefällt.

Table Z®: Hast Du eigentlich auch ein Leibgericht?
Ralf Bos: Natürlich: Rahmspinat mit Spiegelei (kleine Pause) … und weißem Trüffel.

Table Z®: Klar, der Trüffelexperte… Gab es in den vielen Jahren mit so vielen Stationen und Spitzenprodukten auch so etwas wie das außergewöhnlichste kulinarische Erlebnis für Dich?
Ralf Bos: Absolut. Vor 13 Jahren hat Paco Roncero (Küchenchef von Ferran Adria) als Lehrer in meiner molekularen Kochschule gearbeitet. Seine Experimente waren schon etwas ganz Besonderes. Heiko Antoniewicz war übrigens sein Nachfolger.

Table Z®: Was zeichnet Dich als Person, Chef des Unternehmens bzw. als Geschäftsmann aus?
Ralf Bos: Ich denke schon, dass ich sehr zuverlässig bin. Freundlichkeit und Ehrlichkeit sind mir zudem wichtiger als Zielstrebigkeit und Ehrgeiz. Mit Menschen und Material gehe ich gerne liebevoll um. Was ich überhaupt nicht haben kann, ist Ungerechtigkeit und der erpresserische Einsatz von Macht nach dem Motto: „Wenn Sie nicht das tun, was ich will, dann kaufe ich nicht mehr bei Ihnen.“ Das kommt allerdings nicht oft vor. Im Großen und Ganzen arbeiten wir sehr partnerschaftlich und familiär mit unseren Kunden.

Table Z®: Und der Leitspruch in Deinem Büro?
Ralf Bos: Ach, der (grinst): „Wenn es einfach wäre, könnte es jeder.“ Ja, den hab ich mir hinter meinem Schreibtisch an die Wand malen lassen. Ich kann komplizierte Inhalte meistens einfach erklären. Aber das heißt ja nicht, dass es immer einfach ist. Ja, ich bin schon ehrgeizig und liebe neue Herausforderungen…

Table Z®: Und das sind aktuell welche?
Ralf Bos: Also im Moment würde ich sagen: „Augen auf bei der Berufswahl“. Beruf 1: Ich kaufe und verkaufe Lebensmittel an Gastronomen und Gourmets. Beruf 2. Ich baue Schulen in Äthiopien …

Table Z®: Schulen in Äthiopien? Du meinst Dein Projekt „Spitzenköche für Afrika“?
Ralf Bos: Richtig. Das Ganze entstand schon 2009 auf Grundlage einer Wette gegen Karlheinz Böhm, von dem ich immer sehr beindruckt war. Er ist mein großes Vorbild in Sachen Menschlichkeit. Also mit dieser Wette und zusammen mit Eckart Witzigmann haben wir seinerzeit mit Top-Gastronomen über 250.000 Euro gesammelt, um in Äthiopien eine Schule zu bauen. Und so mache ich das im Grunde immer noch. Bis heute unterstützen wir Bildungsprojekte der Stiftung Karlheinz Böhm und bauen Schulen. Ich bin Mitglied des Curatoriums und Botschafter von Menschen für Menschen (die Karlheinz Böhm Äthiopienhilfe). Sieben Schulen sind fertig, die achte ist schon voll finanziert und in den letzten Zügen. An der neunten arbeiten wir gerade, aber coronabedingt stolpert das gerade etwas. Es gibt natürlich auch hier vor der Haustür Probleme. Deshalb bin ich auch als Botschafter des Miteldeutschen Kinderhospiz' [www.kinderhospiz-mitteldeutschland.de/] unterwegs. Aber zurück zur Frage und meinen aktuellen Herausforderungen. Es geht ja noch weiter: Beruf 3: Ich schreibe Fachbücher und Fachartikel in Fachzeitschriften. Beruf 4: Ich bin Inhaber einer eigenen Zeitschrift [www.eat-drink-think.de/], eines YouTube-Kanals [Best of Bos – www.youtube.com/channel/UC8JDRkw9lkyQYBkYc33R0-g] und Moderator eines wöchentlichen Podcasts [Gastro Survival Passionistas - gsp-podcast.de/] – und ab und zu ein bisschen Pokern. Und in der Zeit dazwischen langweile ich mich halt (lacht).

Table Z®: Wow! Wie bekommst Du das alles unter einen Hut?
Ralf Bos: Ich habe drei wunderbare und erwachsene Töchter, die alle schon seit mehr als zehn Jahren „freiwillig“ in meiner Firma arbeiten. Es war von Anfang an mein Ziel, ein waschechtes Familienunternehmen zu gründen. Meine drei Töchter stehen in den Startlöchern. Es wird nicht mehr lange dauern, dass ich mich aus dem Tagesgeschäft verabschieden werde. Dann schreibe ich nur noch. Und mache Filme auf YouTube. Und natürlich Podcasts. Und baue Schulen in Äthiopien. Und werde mich natürlich tüchtig langweilen (grinst).

Table Z®: Vielen Dank!